Der Wolf – Meister Isegrim kehrt zurück in seine Heimat
Bei kaum einer Tierart scheiden sich die Geister so wie beim Wolf. Während von Naturschützern und einem Teil der Bevölkerung die Rückkehr des Wolfes euphorisch begrüßt wird, gibt es wohl ebenso viele kritische und warnende Stimmen. Auf die Diskussion um die Rückkehr des Wolfes in Deutschland gehen wir im unteren Teil dieses Textes etwas näher ein.
Doch zunächst ein paar Daten und Fakten zum Wolf. Sein wissenschaftlicher Name ist Canis Lupus. In der zoologischen Systemantik (Klassifizierungssystem) gehört der Wolf zur Ordnung der Raubtiere, zur Familie der Hunde und zur Gattung der Wolfs- und Schakalartigen.
Vor der Ausbreitung des Homo Sapiens und der Entwicklung von Land- und Weidewirtschaft soll der Wolf das am weitesten verbreitete Landsäugetier der Erde gewesen sein. Der Wolf war in ganz Europa, Asien und Nordamerika beheimatet.
„Sehen wir vom Menschen ab, hatte der Wolf von allen Säugetieren die größte natürliche Verbreitung. Er lebte einst in ganz Nordamerika, von den arktischen Inseln und Nordgrönland bis tief nach Mexiko hinein, sowie in Eurasien von der Polarküste im Norden bis in den Süden Italiens, von den Britischen Inseln und der Atlantikküste im Westen bis zum Pazifik und zu den Inseln Japans im Osten. Das ist ein Gebiet von etwa 70 Millionen Quadratkilometern – mehr als die Hälfte der gesamten Landoberfläche.“ (Quelle: Zimen, Erik: Der Wolf. Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co., Stuttgart, 2003. Seite 9)
Aktuelle Vorkommen des Wolfs
In Kanada, in Osteuropa, auf dem Balkan, in Sibirien und in der Mongolei gibt es noch größere zusammenhängende Populationen. Restvorkommen in Europa gibt es in Spanien, Portugal, Italien, Griechenland, Skandinavien, der Tschechischen Republik, Rumänien, Bulgarien, Kroatien und Polen. Seit Mitte der 1970er Jahre stabilisiert sich die Population in Ostpolen.
Auch nach Deutschland sind in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder Wölfe eingewandert. In Brandenburg wurden und werden gelegentlich Wölfe beobachtet, die von der polnischen Seite aus über die Oder schwimmen. So haben sich unter anderem in Brandenburg und Sachsen wieder Wölfe angesiedelt und sogar Nachwuchs großgezogen. In Deutschland wurde erstmals im Jahre 2000 wieder die Geburt von Welpen nachgewiesen. Die Population breitet sich weiter aus und der Bestand nimmt zu. Somit wird der Wolf in naher Zukunft wohl in großen Waldgebieten flächendeckend in Deutschland anzutreffen sein.
Die Verfolgung der Wölfe seit dem Mittelalter
Wölfe wurden in Mitteleuropa ab dem 15. Jahrhundert gezielt verfolgt. Aber auch schon aus der Zeit Karls des Großen, also bereits aus dem frühen Mittelalter, sind die ersten systematischen Wolfsverfolgungen überliefert. Das wundert nicht, denn mit der zunehmenden Waldrodung drang der Mensch immer weiter in den Lebensraum des Wolfes ein. Das Ergebnis war, dass er im 18. und 19. Jahrhundert in West- und Mitteleuropa fast ausgerottet war. Restbestände gab es zu dieser Zeit nur noch in Spanien und Italien. Und so ist in der Literatur zu finden, dass die letzten ursprünglich im Gebiet des heutigen Deutschlands lebenden Wölfe bis spätestens 1850 ausgerottet waren.
Der Wolf ist zu einer streng geschützten Tierart geworden
Doch die Zeiten ändern sich und so auch die Einstellung gegenüber Belangen des Naturschutzes. Seit Ende des 20. Jahrhunderts steht der Wolf in vielen Ländern unter Schutz und die Bestände erholen sich.
Der Wolf ist für Deutschland in den Anhängen II und IV der FFH-Richtlinie gelistet. Diese sogenannte Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie ist eine Naturschutz-Richtlinie der Europäischen Union. Ihre korrekte deutsche Bezeichnung lautet: Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen.
Nach dieser Richtlinie unterliegt der Wolf nach deren Art. 3 und 12 europarechtlich dem strengen Artenschutz. Der Wolf wird nicht in § 2 Abs. 1 des Bundesjagdgesetzes (BJagdG) aufgeführt. Daher unterliegt der Wolf auch bundesrechtlich nicht dem Jagdrecht.
Der Wolf ist eine durch das Bundesnaturschutzgesetz streng geschützte Tierart. Die vorsätzliche Tötung eines Wolfs gilt als Straftat und kann, ebenso wie der „versehentliche“ Abschuss eines Wolfes, mit einer Freiheitsstrafe geahndet werden.
Das Aussehen des Wolfs
Der Wolf ähnelt – vereinfacht gesagt – einem großen Haushund, etwa einem Deutschen Schäferhund. Allerdings ist der Rumpf von der Größe her im Vergleich zu ähnlich gebauten Haushunden länger und der Brustkorb höher, allerdings auch schmaler. Wölfe sind vergleichsweise schlank und haben lange Beine. Der Kopf ist relativ groß, die Stirn ist breit und die Schnauze lang. Die Ohren weisen nach vorne, werden aufrecht getragen und sind innen dicht behaart. Die Augen sind nach vorne gerichtet. Der Schwanz ist buschig und hat etwa ein Drittel der Kopf-Rumpf-Länge, was einer Länge von knapp über 30 cm bis ca. 55 cm entspricht.
Die Farbe des Fells, dem sogenannten Balg, reicht von Grau über Graubraun bis Sandfarben, die Färbung ist also recht variabel. So gibt es neben dem „grauen Wolf“ auch weiße, gelbliche, cremefarbene, rötliche, braune und sogar auch schwarze Wölfe. Schwarze Wölfe sind allerdings eine Seltenheit. Genetische Untersuchungen haben gezeigt, dass die schwarze Fellfarbe bei Wölfen auf einer Mutation beruht, die zuerst bei Haushunden auftrat und erst später durch Kreuzungen zwischen Wölfen und Haushunden in die Wolfspopulation eindrang.
Das Verbreitungsgebiet von Wölfen ist sehr ausgedehnt. Somit sind auch Körpergröße und -gewicht sehr unterschiedlich. In der Literatur ist zu finden, dass die größten Wölfe in den Waldzonen Lettlands, Weißrusslands, Alaskas und Kanadas leben. Diese Wölfe können bis zu 80 kg schwer werden. Die kleinsten Wölfe leben im Vorderen Orient und auf der arabischen Halbinsel, sie erreichen kaum 20 kg.
Als Richtwert lassen sich folgende Werte angeben: Ein Wolfsrüde wiegt bis zu 50 kg (35 – 50 kg), die Wölfin ca. 5 kg wenige (30 – 40 kg). Die Schulterhöhe von Wölfen beträgt ca. 70 bis etwas über 80 cm, die Länge beträgt ca. 100 bis 160 cm.
Die Ernährung des Wolfs
Die Nahrung ist von den im Verbreitungsgebiet vorkommenden Beutetieren abhängig. Die wichtigste Beute sind in den meisten Regionen mittelgroße bis große Huftiere. Der Wolf kann als Nahrungsgeneralist bezeichnet werden, so erbeutet und frisst er neben den bereits genannten Huftieren / Schalenwild (z. B. Elche, Rehe, Mufflons, Rotwild, Bisons) auch Feldhasen, Kleinnager, Fische, Frösche, Aas und Haushaltsabfälle sowie geringe Mengen an pflanzlicher Nahrung. Im Umfeld menschlicher Siedlungen werden auch Haushunde, Katzen, Geflügel und andere Nutztiere gerissen. Als Richtwert lässt sich sagen, dass ein Wolf mittleren Gewichts (um die 40 Kilogramm) täglich rund 4 – 6 kg frisst.
Nachdem ein Tier erbeutet wurde, öffnen die Wölfe meist zunächst die Bauchhöhle und fressen zuerst die inneren Organe wie Lunge, Leber, Herz, Darm und die Nieren. Erst danach geht es an das Muskelfleisch. Das erbeutete Tier wird also quasi von innen nach außen hin aufgefressen. Unter den Rudelmitgliedern kommt es dann durchaus am Riss zu Auseinandersetzungen. Hier gilt das Recht des Stärkeren.
Große Wölfe können in der ersten Fressphase bis zu 10 kg Fleisch fressen. Nach dieser ersten Fressphase lassen Wölfe meist zunächst von der Beute ab. Sie kommen in den folgenden Stunden aber durchaus immer mal wieder, um an den noch verbliebenen Teilen zu fressen. „Ein Wolf ist imstande, innerhalb von 24 Stunden bis zu 20 kg zu fressen.“ (Quelle: Erik Zimen: Der Wolf. Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co., Stuttgart, 2003. Seite 288)
Die Beute des Wolfs
Im Laufe der Evolution der Landraubtiere sei eine gewisse Spezialisierung erfolgt, berichtet Erik Zimen in bereits angesprochenen Buch mit dem Titel „Der Wolf“. In den Gebirgs-, Wald- und Tundragebieten der nördlichen Erdhalbkugel habe sich der Wolf zum schwerpunktmäßigen Beutegreifer der Huftiere entwickelt. Der Wolf habe sich zum Jäger größerer Beutetiere spezialisiert, die in nicht so hoher Dichte auftreten.
Zunächst muss die Beute aufgespürt werden. „An vielen Tagen müssen die Wölfe also trotz harter Arbeit ohne Futter auskommen. Mit einer Geschwindigkeit von sechs bis acht Kilometern in der Stunde durchstreifen die Wölfe ihr Revier, zumeist im Trab.“ (Quelle: Erik Zimen: Der Wolf, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co., Stuttgart, 2003, Seite 287f)
Wenn sie dann Beute gemacht haben, können Sie große Mengen an Futter auf einmal verschlingen. Denn es muss ja wieder für einige Tage reichen. In der Literatur ist zu finden, dass Wölfe sogar über 14 Tage ohne Nahrung ihre Wanderaktivitäten beibehalten können. Die Fähigkeit lange ohne Futter auskommen zu können, große Futtermengen in kurzer Zeit zu verwerten, muss somit als Überlebensvorteil angesehen werden und dürfte einer der Gründe für das ehemals weite Verbreitungsgebiet des Wolfes gewesen sein.
Bei der Beutesuche spielen der Geruchssinn und in offenem Gelände sein Sehsinn eine wichtige Rolle. So finden Wölfe Beutetiere allein durch deren Geruch oder durch die Verfolgung des Geruchs einer frischen Spur. Der Geruchssinn von Wölfen dürfte mit der von Hunden vergleichbar sein.
Ist das Beutetier aufgespürt, versuchen die Wölfe, sich ihrer Beute unbemerkt bis auf geringe Distanz zu nähern. Große Huftiere werden attackiert, wenn sie die Flucht ergreifen. Aus Herden suchen sie sich meist junge, schwache oder alte Tiere aus. Dies gelingt ihnen, indem sie eine Weile mit der Herde mitlaufen. Fliehende Tiere werden meist nur über kurze Strecken mit hoher Geschwindigkeit verfolgt. Gelingt es dem Wolf nicht, das Beutetier zu erreichen, wird die Verfolgung abgebrochen. Denn Verfolgung kostet Energie. Der Wolf muss mit seinen Kräften sparsam umgehen. Längere Verfolgungen mit hoher Geschwindigkeit sind daher Ausnahme.
Große Huftiere, so zum Beispiel Rotwild, versuchen, durch Flucht zu entkommen. Andere große und wehrhafte Tiere wie Wildschweine stellen sich den Wölfen und schaffen es auch durchaus, sich erfolgreich zu verteidigen. Der Wolf tötet kleine Huftiere (Ziegen, Schafe) meist durch einen kräftigen Biss in die Kehle oder in den Nacken. Großes Schalenwild (Elche, Rotwild) wird zunächst durch einen Biss in Hinterteil, Flanken, Rücken oder auch die Nase aufgehalten und zu Fall gebracht. Durch einen Biss in die Kehle erfolgt dann die Tötung des Beutetieres.
Sozial- und Territorialverhalten
Wölfe haben ein ausgeprägtes Sozial- und Territorialverhalten. Die normale Sozialordnung von Wölfen ist das Rudel. Ein Wolfsrudel besteht im Regelfall aus dem Elternpaar und dessen Nachkommen. Somit besteht ein Rudel im Herbst aus dem Elternpaar, dem Nachwuchs aus dem Vorjahr oder den Vorjahren und dem Nachwuchs aus demselben Jahr. Die vorjährigen Jungwölfe unterstützen das Elternpaar bei der Aufzucht der Welpen.
Die Geschlechtsreife erreichen Wölfe in einem Altern von 2 – 3 Jahren. In Mitteleuropa fällt die Paarungszeit in den Spätwinter und das zeitige Frühjahr von Ende Januar bis Anfang März. Vor der Geburt wird zumeist eine Erdhöhle gegraben oder von anderen Säugern wie Füchsen übernommen und vergrößert.
Die Tragzeit beträgt ca. 63 Tage (+/- 2 Tage). Die Wölfin bringt ca. 4 – 7 Junge in Erdbauten, Felshöhlen, unter Wurzeltellern, aber auch im Schilf und reinen Erdmulden zur Welt. Bei der Geburt sind die Welpen noch blind und taub.
Die Größe des Rudels liegt normalerweise bei fünf bis zwölf Tieren. Ein Rudel kann aber auch durchaus aus mehr Wölfen bestehen. In der Literatur ist zu finden, dass Jungwölfe ihre Eltern zumeist im Alter von 10 bis 54 Monaten verlassen. Somit können in einem Rudel Jungwölfe aus vier Jahren leben. Einzelne Wölfe, die in der Wildnis umherziehen, haben zumeist mit dem Beginn der Geschlechtsreife das elterliche Rudel verlassen, um ein eigenes Rudel zu gründen. Wolfsrudel haben eine durch Nahrungsangebot und Streifgebietsgröße bestimmte obere Rudelgröße. Wird diese erreicht bzw. überschritten, wandern junge rangniedrigerer Tiere aus dem Rudel ab. Soziale Interaktionen werden durch eine Fülle optischer und akustischer Signale vermittelt, wichtige
Rollen spielen Mimik, Lautäußerungen und die Schwanzhaltung.
Als ein im Rudel lebendes Großraubtier hat der Wolf einen enormen Raumbedarf. Dieser reicht von 75 – 2.500 qkm. So sind in Alaska Reviergrößen von bis zu 6.272 qkm ermittelt worden und wurden Reviergrößen von 150 – 350 qkm festgestellt. In höheren Breitenlagen, wo die Beutedichte geringer ist, sind die Wolfreviere durchschnittlich größer als in gemäßigten Zonen mit hoher Beutedichte (1 h = 10.000 qm / 1 h = 0,01 qkm).
Ferner ist in der Literatur zu finden, dass pro Tag dabei etwa neun Prozent des Revieres genutzt werden und sich die an den aufeinanderfolgenden Tagen genutzten Revierteile nur minimal überschneiden. Dies diene mit hoher Wahrscheinlichkeit einerseits der Notwendigkeit, möglichst kontinuierlich im gesamten Revier präsent zu sein, um dieses gegen Artgenossen abzugrenzen, andererseits der Erhöhung des Jagderfolges, da die Beutetiere auf längere Anwesenheit der Wölfe mit erhöhter Vorsicht und Ausweichbewegungen reagieren.
Das Markierungsverhalten von Wölfen
Die Reviere werden regelmäßig von den Rudelmitgliedern durchwandert. Zur Abgrenzung der Reviere dienen vor allem Harn- und Kotmarkierungen an einzelnen Bäumen, Sträuchern, Steinen oder Pfosten. Im Bereich von Reviergrenzen wird besonders intensiv markiert.
„So scheint es, dass diese Form einer indirekten geruchlichen Kommunikation nicht nur innerhalb des Rudels den einzelnen Rudelmitgliedern über den Aufenthaltsort und die Bewegungen der anderen Auskunft gibt, sondern auch zur räumlichen Organisation der gesamten Wolfspopulation beiträgt. Die Jagdgebiete der einzelnen Rudel werden dadurch behauptet. Benachbarte Rudel können sich aus dem Weg gehen und eine Konfrontation vermeiden. Die nichtterritorialen Einzelwölfe, die sich auch zu Paaren oder kleinen Gruppen zusammentun, können ebenfalls auf diese Weise einer Konfrontation mit den Territorien besitzenden Rudeln ausweichen und vielleicht auch auf ihren langen Wanderungen ein nichtmarkiertes Gebiet finden, in dem sie bleiben, Junge aufziehen und ein neues territoriales Rudel bilden.“ (Quelle: Erik Zimen: Der Wolf, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co., Stuttgart, 2003. Seite 63ff)
Als weiteres Mittel zur Reviermarkierung scheint das gemeinschaftliche Heulen der Rudelmitglieder zu sein. Es stellt eine Art akustische Territoriumsmarkierung dar. Diese wird oft von benachbarten Rudeln beantwortet.
Dringen Wölfe eines anderen Rudels trotz geruchlicher und akustischer Reviermarkierungen in das Revier ein, werden sie zumeist angegriffen. Diese Kämpfe enden oft tödlich. Innerartliche Kämpfe gehören daher zu den häufigsten natürlichen Todesursachen bei Wölfen.
Das Jagdverhalten von Wölfen
Wenn Wölfe in ein eingezäuntes Areal, Gatter oder einen Schafferch eindringen, kann es dazu kommen, dass sie eine um ein Vielfaches größere Anzahl an Tieren töten als sie selbst fressen können.
„Dieses Verhalten des Massentötens kennen wir von vielen Beutegreifern. Die überproportionalen Tötungsauslöser eingepferchter Beutegreifer, die nicht entkommen können, sind so stark, dass die Raubtiere vor lauter Töten gar nicht zum Fressen kommen. (…) Das Töten der Beute ist also nicht vom Hunger bedingt, sondern von den Schlüsselreizen, die entstehen, wenn eine Beute durch die Jagd in eine bestimmte Situation gebracht wird. (…) Nur das Auf-Jagd-Gehen, das Suchen nach Beute, also das ´Appetenzverhalten´ wird durch den Hunger gesteuert. (…) Ganz anderes als bei der Jagd auf wildlebende Beutetiere, die, wenn gerissen, sogleich von Wölfen aufgefressen werden, töten sie daher manchmal mehr Haustiere, als sie verwerten können. (…) Für die Wölfe bedeutet dies ein allzu starkes Signal zum Beute machen, und sie töten, was sie können – ähnlich dem Fuchs im Hühnerstall.“ (Quelle: Erik Zimen: Der Wolf. Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co., Stuttgart, 2003. Seite 357f)
Das bedeutet: Bricht unter den Schafen Panik aus und rennen sie umher, löst das beim Wolf immer wieder aufs Neue den Tötungsreflex aus.
Zur aktuellen Diskussion um die Rückkehr des Wolfes in Deutschland
Die Mehrheit der Bevölkerung scheint zurzeit auf der Seite der Wölfe zu sein. Laut einer repräsentativen Forsa-Umfrage im Auftrag des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu) finden es 79 Prozent der Bevölkerung in Deutschland gut, dass der Wolf bei uns langsam, aber sicher wieder heimisch wird. Die Tiere gehören ihrer Ansicht nach zur Landschaft wie Füchse, Rehe oder Biber.
Bundesweit gibt es etwa 800 Wölfe (Stand: 2017), die meisten von ihnen leben in Niedersachsen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Im Jahr 2016 sollen über 1.000 Nutztiere durch Wölfe getötet oder verletzt worden sein – vor allem Schafe und Ziegen, aber auch Rinder. 2017 haben Wölfe rund 500 Nutztiere gerissen. Die Leidtragenden sind in diesen Fällen vor allem Schäfer und Landwirte mit Weidetier.
Viele von ihnen fühlen sich in ihrer Existenz bedroht und mit den Folgen einer weiteren Ausbreitung des Wolfes weitgehend alleine gelassen. Es gibt Befürchtungen, dass durch die rasante Ausbreitung des Wolfes die Zukunft der Weidetierhaltung auf dem Spiel stehe. Viele Foren und Diskussions-runden beschäftigen sich mit der Frage, wie Weide- und Wildtierhaltung und eine zunehmende Ausbreitung des Wolfes miteinander zu vereinbaren ist.
Elektrozäune sind keine wirksame Lösung
Anregungen, dass Weidetiere einfach nur besser bewacht werden müssen oder Elektrozäune das Mittel zu Lösung seien, sind zwar gut gemeint. Es bleibt allerdings die Frage nach der Machbarkeit und der Kosten. Denn Hütehunde und Elektrozäune sind teuer.
So ist z. B. für den Landkreis Cuxhaven ermittelt worden: „Um im Landkreis Cuxhaven nach den Übergriffen auf Rinder in einem 50-Kilometer-Radius Grünland wolfssicher zu machen, müssten 180.000 Hektar gezäunt werden. Das entspricht einem finanziellen Aufwand von etwa 268 Millionen Euro.“ (Quelle: Landwirtschaftliche Wildhaltung, Heft 3/17, Safmer Druck & Verlags GmbH. Seite 28)
Aus einer Studie der dänischen Universität Aalborg geht hervor, dass bei herkömmlichen Elektrozäunen Zweifel an der Wirksamkeit aufkommen. Darüber hat die Deutsche Gesellschaft für Züchtungskunde e.V. (DGfZ) in ihrem Newsletter vom 16. November 2017 berichtet. So hätten bei einer durchgeführten Untersuchung die „Versuchs-Wölfe“ Testzäune mit einer Höhe von rund 85 bis 105 cm und einer Stromspannung zwischen 2.400 V und 4.700 V in den meisten Fällen überwunden. Dabei seien die Zäune sowohl übersprungen als auch unterkrochen worden. Daher werden Elektrozäune mit einer Höhe zwischen 115 und 145 cm empfohlen. (Quelle:
https://www.dgfz-bonn.de/newsletter/dgfz-newsletter-vom-16-november-2017.html, Stand: 25.05.2018)
Weite Teile Deutschlands können allerdings nicht durch Einzäunen vor Wölfen gesichert werden. Denn wie sollten etwa Berg- und Küstengebiete, weiträumig intensiv genutzte Grünlandregionen und Naturschutzgebiete wolfssicher umzäunt werden?
Fazit
Aus Gründen des Erhalts der biologischen Vielfalt ist es sicherlich sinnvoll, dem Wolf einen angemessenen Lebensraum zu verschaffen. Doch dieser Lebensraum ist nicht das nahegelegene Wäldchen, denn das hat mit den Lebensraum-Ansprüchen des Wolfes nichts zu tun.
Ein Wolf unterscheidet nicht zwischen einem Reh, einem Wildschaf, einer Gams oder einem Hausschaf. Er wird die Beute reißen, die er mit dem geringsten Energieaufwand erreichen kann.
Auch Wildtiere, die in Gattern gehalten werden, also auch Tiere in Wildparks, können vom Wolf gerissen werden. Denn Zäune, die das Rot-, Dam- und Sikawild im Gatter halten, müssen nicht unbedingt den Wolf daran hindern hineinzukommen.
Daher ist es auch für die Mitglieder des Arbeitskreises Wildpark Völlinghausen und des Förderverein Wildpark Völlinghausen interessant, sich eingehender mit dem Wolf und der Diskussion über seine Rückkehr in Deutschland zu beschäftigen. Denn früher oder später ist es nicht ausgeschlossen, dass der Wolf im Arnsberg Wald heimisch wird und auch am Wildpark Völlinghausen auftauchen wird.
Autor: Hubert Klyscz