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Mit einem Fischernetz auf Safari

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„Haben Sie jetzt auch einen Löwen im Wildpark?“ Immer wieder gerne erinnert sich Ortsvorsteher Johannes Mertens an die überraschte Frage einer Besucherin, die die Brunftrufe der Hirsche im Wildpark Völlinghausen offensichtlich nicht richtig deuten konnte.

Die Städterin hatte den Wildpark Völlinghausen womöglich mit einem Zoo verwechselt und sich daher bei Clemens Hillebrand sen., der mit seiner Frau seinerzeit den Kiosk am Wildpark führte, nach dem Urheber der unerwarteten Laute erkundigt. „Noch Jahre und sogar Jahrzehnte später hieß es bei uns daher immer noch, ´Unser Löwe schreit wieder´, wenn das Rot-, Sika- und Damwild in der Brunft war“, erzählt Johannes Mertens mit einem Schmunzeln.

Noch immer ist rund ein Dutzend der engagierten Völlinghausener, die sich von Beginn an für den Wildpark und die dort lebenden Tiere eingesetzt haben, auch heute noch aktiv. Da der Wildpark in diesem Monat auf eine 60-jährige Geschichte zurückblicken kann, ist der Großteil von ihnen bereits jenseits der 70 Jahre. Doch nach wie vor kümmern sie sich als Mitglieder im Arbeitskreis um die Anlagen und die Tiere in den Gehegen.

Einer von ihnen ist Friedhelm Linnhoff, der als Vorsitzender der sogenannten Rentnergang, wie sich die Senioren selbst nennen, die Arbeiten koordiniert und auch selbst kräftig mitanpackt. Der 74-Jährige hat die Anfänge des Wildparks hautnah miterlebt, war doch sein Vater Bürgermeister von Völlinghausen. Denn die kommunale Neuordnung, in deren Zuge die Gemeinde Möhnesee entstanden ist, fand erst 1969 statt.

Am 4. März 1964 war unter der Leitung von Wilhelm Linnhoff beschlossen worden, ein Wildgehege in Völlinghausen zu errichten. Entstehen sollte es auf dem Flurstück „An der Burmecke“, das rund 4,2 Hektar umfasst. Das sehr hügelige Gelände hatte einen Umfang von rund 1100 Meter. „Das war unglaublich viel Arbeit, denn wir hatten damals keine Bagger oder sonstige Baumaschinen, sondern mussten die ganzen Materialien zu Fuß an die richtige Stelle tragen und die Löcher für die Pfosten mit Hacke und Schaufel ausheben“, erinnert sich Friedhelm Linnhoff an die schweißtreibenden Vorbereitungen. „Und dann haben wir auf einer Länge von über einem Kilometer den Spanndraht und den Maschendraht an den Pfosten angebracht.“

Zu dieser Zeit war er gerade 15 Jahre alt und mit seinen Freunden regelmäßig nach der Schule und auch später während der Ausbildung auf dem Gelände aktiv. „Mein Vater konnte die Leute begeistern, hatte ein gutes Netzwerk, einen Draht zu der Jugend und war außerdem selbst immer mit Hacke und Spitze vorne mit dabei.“

Zu den Männern der ersten Stunde zählen neben Wilhelm Linnhoff, Clemens Hillebrand und Wilhelm Krift, die nach Gründung der Gemeinde als Mitglieder eines Bürgergremium den Tierbestand versorgen und dokumentieren sollten, auch Hermann Sommer. Der 85-Jährige, der sich als Landwirt selbst gerne mit seinem Trecker und seiner Arbeitskraft eingebracht hat, war 30 Jahre Ortsvorsteher und erinnert sich gerne an die Bereitschaft der Völlinghausener, bei diesem Herzensprojekt mitanzupacken. „Auch die Vereine haben kräftig mitgeholfen – ob Schütze, Sänger oder Fußballer – wen man auch angesprochen hat, alle haben mitgemacht.“

Die ersten Tiere trafen 1965 im Wildpark ein: ein Muffelbock, ein Muffelschaf und ein Muffellamm – gestellt von der Stadt Hagen. Da die heimischen Kicker im selben Jahr den SV Völlinghausen e. V. gegründeten und auf der Suche nach einem Maskottchen waren, entschieden sie sich daher für einen Muffelbock. Das ist auch der Grund, warum sich die Herren-Mannschaft der Fußballer Mufflons nennt.
Aufgrund der fehlenden Unterstützung seitens der Landesregierung in Düsseldorf und des Kreises Soest bei der Beschaffung weiterer Tiere entschloss man sich, Anfang September 1965 mit vier Fahrzeuge nach Niedermarsberg auf große Safari zu fahren. Unterstützt wurde diese Aktion von einem Fischereigehilfen, der mit einem fünfzig Meter langen und zehn Meter breiten Fischereinetz ausgerüstet war. In der Abenddämmerung ging man vorsichtig zu Werke und brachte zwei weibliche Damwild nach Völlinghausen.

Der Tierbestand änderte sich im Laufe der Jahre immer wieder. Neben Dam- und Rotwild beherbergte der Wildpark Bergziegen sowie zwischenzeitlich zwei Nandus sowie zwei Füchse und einen Waldkauz zur Pflege. In den 1970er Jahren kamen Fasane, Pfaue und Finken hinzu. 1973 wurde ein Fischteich angelegt, der Goldfische, Schleie und weitere Fischarten beherbergte. 1978 wurde das Muffelwild durch Sikawild ersetzt, da es der Jagdaufsichtsbehörde nicht regionstypisch war.

Aktuell leben im Wildpark Völlinghausen Ziegen und Schafe (Braunhaar, Kamerun, Bretonische Minischafe), Dam-, Rot- und Sikawild sowie Hühner und Hähne unterschiedlicher Rassen und Flug-, Lauf- und Minienten. Darüber hinaus sind dort Silber-, Gold- und Jagdfasane sowie Pfaue zu sehen. In der 2021 gebauten Vogelvoliere sind darüber hinaus vier Graupapageien und diverse farbenprächtige Vögel zu Hause. Und auch wenn es sich gerade im Herbst immer mal wieder so anhören mag: Einen Löwen hat es im Wildpark Völlinghausen nie gegeben.